24.-25.7. Ballon Ultra

Das Motto der Schinderei!

Bis zu 100 Meilen laufen in 2 Tagen, bzw. 33:20 Stunden. Das Konzept sieht folgende Startzeiten zu diesen Strecken vor. Gewertet wird, wer die meisten Meilen gelaufen ist und danach gilt die Zeitwertung. Die Startzeiten:

10 Uhr 5 Meilen, 11:40 Uhr 10 Meilen, 15 Uhr 15 Meilen, 20 Uhr 20 Meilen

2:40 Uhr 20 Meilen, 9:20 Uhr 15 Meilen, 14:20 Uhr 10 Meilen, 17:40 Uhr 5 Meilen

Nach jedem Lauf hat man somit Gelegenheit für Erholung, Essen, Duschen und Kommunikation mit den Mitläufern. Letztes Jahr habe ich es auf 65 Meilen gebracht. Bin schon gespannt, ob ich das dieses Jahr toppen kann.

Die Organisation für einen solchen Lauf ist enorm, da durch die Pausen und die Möglichkeit einen Start auszulassen, auch Ruhemöglichkeiten (für mich im Auto) vorbereitet werden müssen. Es werden zwar Essen und Getränke angeboten, dennoch benötige ich etwas für den Kofferraum. Tisch und Stuhl. Powergels, Salztabletten, Haribos, Wasser für meinen Rucksack für unterwegs. Was ich sonst noch so benötige: Waschzeug, Handtücher, Zahnbürste, Laufhosen, Unterwäsche, T-Shirts, Socken, 3 Paar Schuhe, Blasenpflaster, Wäscheleine und Wäscheklammern, 2 Mützen, Sonnenbrille, Sonnencreme, Uhr, Handy, Ladekabel, Powerbank, Stirnlampe, Regenjacke, Geld fürs Taxi und für Eis unterwegs. Und noch einiges mehr. Meist fehlt dann doch noch etwas. Aber Ultraläufer helfen sich, es ist eine große Familie!

Unsere Herausforderungen – wo geht’s wann und warum entlang?

2 Tage in Unna – Der Bericht

Morgens um 7 Uhr bin ich bereits in Unna. Der Fußballplatz (unsere Zeltplatz von 2020) muss einem Industriegebäude weichen. Jan-Philipp meint, dass 50 Zelte auf den Rasen neben dem Bürgerhaus passen. Ich schätze vielleicht 20. Also Schlafen im Auto. Der angegebene Parkplatz liegt 350 Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Blöd! Später erfahren wir, dass der andere Parkplatz auch für Übernachtungen zugelassen ist. Martina, Ute und ich parken schnell um. Nun stehen wir günstig und können auch Jan-Philipps Erläuterungen folgen. Startnummer und T-Shirt abholen, viele bekannte Läufer begrüßen, etwas frühstücken, letzte Vorbereitungen (Wäscheleine für Stinkesocken u. a. m. spannen) treffen und bald ist es 10 Uhr.

Einige meiner zahllosen Lauffreundinnen

Der erste Start, 10 Uhr, Kurzstrecke, nur 5 Meilen (7,99 Km). Gefühlt sind heute weniger Teilnehmer als 2020 dabei. Eine Runde um das Piratenschiff, über die Zeitmatte und wir sind unterwegs. Nach einigen Tagen der Planung endlich wieder auf der Strecke und dies mit Startnummer bei einer offiziellen Veranstaltung (bis 200 Teilnehmer). Etwa 180 haben die diversen Läufe bis hin zu „Alle“ gebucht, wobei man immer neu entscheiden kann ob man den nächsten Lauf eventuell auslässt.

Noch eine Lauffreundin

Die richtige Einteilung des Tempos ist äußerst wichtig. Es geht durch den Wald, danach etwas Straße, noch ein Waldstück und schon ist die erste Etappe Geschichte. Etwas trinken und essen, danach den Rucksack packen.

2. Wald vor dem Ziel

erstes Finisher-Foto

11:40 Uhr Start zur 2. Etappe (10 Meilen 16,69 Km). Es geht diesmal über bekannte Wege (wie 2020). Noch tun mir die langen Geraden über ehemalige Bahnstrecken nicht weh. Die Temperaturen steigen, Sonnencreme ist sinnvoll. Dann stehen wir am Bahnübergang. Wir genießen die 3 Minuten Pause. Dann rauscht der Zug vorbei.

Pausen-Genießer am Bahnübergang

Alle sind gut drauf. Bei km 8 gibt es einen Getränkestand, es geht in den Wald. Ein Schild „Vorsicht Greifvögel“ steht hier, und richtig, als ich den Schwan am See fotografieren will, kommt dieser ärgerlich fauchend auf mich zu. Huch! Ich wusste gar nicht, dass Schwäne zu den Greifvögeln zählen.

3. Etappe, Start 15:00 Uhr. 15 Meilen (24,68 km). Das Wetter soll schlechter werden. Also mit Regenjacke im Gepäck an den Start. Es gilt, diese Runde mit wenig Schatten mit viel Anstand zu absolvieren.

Foto mit Blumen

Die ersten 90 Minuten sind sonnig und schwül, danach beginnt es zu regnen. Dies ist nicht schlimm, sogar wohltuend. Das mögliche Gewitter macht zu unserer Freunde einen großen Bogen um Unna! Die langen Radwege zehren dennoch an unserer Fitness. Mit Gehpausen schonen wir unsere Kräfte. Leider laufen wir heute nicht durch Kamen, somit fällt die Pause (2020) an der Eisdiele aus. Immer wieder sehen wir Kirchtürme, die wir nie erreichen, an der Strecke. Kaiserau, Afferde, Unna-Massen, Königsborn heißen die Orte laut der Radwegweiser.

Ein Relikt aus der Zeit der Kohleförderung
unterwegs
Zieleinlauf um 18:22

Als wir das Förderrad passieren, öffnet Petrus sein Schleusen ganz. Allerdings lässt es bald wieder nach und es tröpfelt nur noch als wir ins Ziel laufen. Natascha wird nun nach Hause fahren und morgen ganz frisch und ausgeruht weitermachen. Drei Etappen sind geschafft, Zeit für eine Dusche. Und für eine ordentliche Stärkung am Büfett und mit viel alkoholfreiem Weizenbier. Vorbereitungen für die Nacht: Aufladen von Uhr und Handy. Stirnlampe ins Gepäck!

4. Etappe, 20 Uhr Start. 20 Meilen, (32,80 Km). Die Reihen der Läufer haben sich mächtig gelichtet. Viele lassen die Nachtläufe aus. Genießen Unna bei Bier und Bratwurst. Wir nicht, Ute, Martina und ich wollen unsere Kilometerleistung aus 2020 halten oder auch gerne verbessern. Als wir loslaufen, sind wir uns noch sicher, dass wir auch um morgen um 2:40 Uhr die 20 Meilen in Angriff nehmen werden. Aber nun muss erst einmal dieser Lauf gemeistert werden.

Lauf hinein in die Abenddämmerung

Diese Etappe ist landschaftlich mit Abstand die Schönste! Aber auch die Schwerste. Rund 500 Höhenmeter stehen an und viele Kilometer führen über Wiesenwege und durch hohes Gras und noch höhere Stauden. Leider ist es um 21:30 bereits dunkel, man sieht die Schönheit der Natur gar nicht. Stirnlampe an und weiter geht es. Am Wegesrand steht eine Leiter mit 6 Glas Bier und dem Schild: Pils 1 €! Wir greifen zu, ich habe 2 € dabei. Nebenan feiern ein paar junge Leute, mit Bier vom Fass! „Siehste, die haben doch Geld dabei!“ ruft einer. Wir erklären, was wir hier machen. Ich sehe, dass er uns nicht glaubt. Wir müssen weiter. Und immer schön den grünen Markierungen folgen. Regen setzt ein. Nur Regen und kein Gewitter wie 2020! Auch der Starkregen kommt nicht, nur ein heftiges Schauer. Danach lange nur leichter Regen und Nieseln. Das macht es für das Kreidespray nicht einfacher. So nach und nach verblassen die Markierungen.

Wichtig: Nie, wirklich NIE die Markierung verlieren!
Die drei Musketiere – einer für alle, alle für einen!
Vollmond in nebliger Geisterstunde

Ute geht es nicht gut. Ihr ist schlecht. Sie quält sich dahin. Aber sie ist zäh. Wir laufen und gehen im Wechsel. Es folgt ein Waldstück mit Überraschungen. Eulen feuern und krächzen uns an, fette Unken plumpsen über den Pfad. Dann ein Feuersalamander. Schnell ein Foto machen. Diese Tiere sieht man nur selten. Hier allerdings oft. Ich zähle 9 Exemplare auf unserem Weg durch den Wald. Und es gibt auch andere nächtliche Wald-Gestalten. Wir hören Rufen im Wald und ab und zu erscheint ein kurzes Leuchten. Unsere Wegentscheidungen sind so gut wie immer richtig. Bald kommen die Stimmen und Lampen näher. Unser Mitläufer haben uns gesehen und nun sind sie wieder auf dem Weg. Das wird ihnen heute nochmal passieren. Nach dem 2. VP gehen wir. Der Regen endet, der Vollmond kommt neugierig hervor.

Immer wieder Wiesenwege, holprige Feldwege, auch gefühlt querfeldein marschieren wir. Als wir leicht bergab laufen, bricht etwa 25 Meter vor uns von rechts ein Wildschwein aus dem Wald, springt im Galopp über die schmale Straße ins abschüssige Gelände. Geäst kracht. Die Bache ist nicht allein unterwegs. Es folgen ein Jungtier und drei weitere Bachen und, mit Abstand, zwei Frischlinge. Einen Keiler kann ich nicht ausmachen. Egal, Bachen können auch sehr gefährlich werden. Es knackt im Wald links unter uns, dann wird es still. Wir bewegen uns nicht und warten eine Minute ab, ob es noch weitere Nachzügler gibt. Dann ist die Luft rein und wir laufen erleichtert weiter. Boah ey!

Diese Begegnung gibt uns noch einmal Adrenalin, aber nur kurz. Martina, Ute und ich haben schon länger keinen Bock mehr. Schon wieder diese Wege durch die Pampa! Warum verging letztes Jahr die Zeit und die Strecke viel schneller? Vermutlich weil wir damals mitten durch ein heftiges Gewitter mit Starkregen liefen. Da war ich mit Adrenalin aufgeladen wie ein Duracell-Hase und lief mit Ute schnelle Kilometer. Heute ist alles anders! Der 2. 20 Meilen lauf kann uns gestohlen bleiben, sind wir uns einig! Irgendwann endet auch diese schier endlose Strecke. Kurz vor Schluss noch eine Falle. Die Doppel-Markierung weist nach links. Wir müssen jedoch nach rechts. Wie im Vorjahr. Links geht es in die 2. Runde, nach rechts zum Ziel, bis hier sind Hin- und Rückweg gleich. Der bekannte Radweg, einfach endlos! Dann endlich, das Ziel! Fast 6 Stunden waren wir unterwegs. Alter Schwede! Katzenwäsche, etwas essen und trinken, Stinkewäsche auf die Leine, Zähneputzen und ab ins Auto auf die Matratze. Gute Nacht. Meine Beine möchten sich ausstrecken, was nur knapp gelingt. Irgendwann penne ich dann doch ein.

Bis ich um 8:15 Uhr wach werde. 8.15 Uhr! Start in einer Stunde! Ich verzichte auf die Dusche. Katzenwäsche, Zähneputzen, Rucksack packen, Uhr und Handy sind geladen. WC. Ein Käsebrötchen + ein Kaffee + ein alkoholfreies Bier (passt nicht zum Frühstück – muss aber sein). Ute meldet sich für die 15 Meilen ab. Dafür ist Natascha aber auch wieder mit dabei. Sie strahlt, es geht ihr gut! Schön, dann kann es ja losgehen! Wir erfahren, dass sich unsere Verfolger/Verlaufer von heute Nacht an der besagten Falle verlaufen haben, sie sind falsch abgebogen. Fazit: In Summe über 10 zusätzliche Kilometer! Die beiden sehen wir am Sonntag nicht wieder.

Sonntag, 9:20 Uhr, 15 Meilen (24,64 Km). Der Regen war gestern. „Grün war gestern“ ist übrigens ein geflügeltes Wort beim Ballon-Lauf. Denn heute ist „Rot“!

Kurz vor dem 1. Start am Sonntag
Die „Drei Damen vom Grill“ (wer kennt diese Sendung noch?)

Nach 8 Kilometern machen wir halt. Elke hat sich uns angeschlossen. Zeit für ein Grußfoto an Ute! Zurück in Kamen. Was so ein bisschen Sonne ausmacht! Nun habe ich auch Lust auf Fotos. Kamen hat die schwedische Partnerstadt Ängelholm, mit Fischen im Wappen. Vermutlich säumen deshalb so einige Gräten die Strecke.

Sicherlich ist das Kunst, denn der Bursche hat nix an!

Dieser „Kömische Beier“ steht an der Ängelholmer Brücke in Kamen. Die Figur winkt übrigens seiner nackten Schönen zu, die mitten auf dem Rücken des Fisches sitzt. Dieses Foto fiel der Zensur zum Opfer! Die Temperaturen steigen ständig! Die Zahl unsere Gehpausen steigt im Verlauf des Laufes proportional dazu an. Unterwegs gibt es dann wieder das verdiente Wassereis, das uns ein radelnder Bote überreicht! Zitrone. Lecker! Danke für die Abkühlung! Gegen 13 Uhr ist dann auch dieser Lauf beendet. 65 Meilen = etwa 100 Kilometer, soviel wie ich 2020 geschafft hatte. Nun hole ich die versäumte Dusche nach. Und, da geht noch was! Die Beine sind noch gut!

14:20 Uhr, 10 Meilen (16,63 Km). Natascha hat sich in der Pause die Leiste gezerrt. Ute geht es weiter schlecht. Nach dem Start machen sich beide auf den Heimweg. Martina und ich werden nun die 10 Meilen gemeinsam angehen. Wie meint sie: „wie 10 kleine Negerlein…!“ Bald sind wir das Schlusslicht. Aber Verlauf der nächsten 2,5 Stunden können wird die rote Laterne dann doch noch abgeben. Sie murmelt: „Allein, allein….“ Ich sage ihr, dass wir zu zweit sind.

Zwei Jungtiere

Wieder kommen wir am Teich mit dem Greifvogel-Schwan vorbei. Hier gibt es nun einige Zuschauer, als sich die Schwanenfamilie ganz artig präsentiert. Wenig später der allerletzte VP dieser Veranstaltung. Wir greifen nochmals in die Verpflegungskiste zu Salzstangen, Nüssen und Kräckern. Und schleichen weiter. Der Bahnübergang mit offenen Schranken (schade!).

Rechts der Förderturm Bönen (heute Museum). Wir laufen links auf dem Radweg, einem ehemaligen Gleis der Bahn, auf dem die geförderte Kohle zu den Kokereien und Salzsiedereien transportiert wurde. Die Förderung wurde 1981 eingestellt.

immer geradeaus!

Der Radweg ist endlos. Zwischendurch werden wir von einem Radfahrerin zurecht gewiesen: „Nebeneinanderlaufen, total unmöglich!!!“ Was meint Martina ganz trocken wie aus der Pistole geschossen: „Genau wir radeln ohne Helm!“ Wir marschieren, laufen, marschieren. Es ist heiß, 25°! Aber jede Strecke hat ein Ende. Laufend (100 Meter vorher traben wir an) erreichen wir das Ziel. Direkt zur Theke im Bürgerhaus und eine Flasche o,5 Liter eiskaltes alkfreies Weiss-Bier langsam genießen. Ein paar Erdnüsse. Die Zunge klebt! Und noch ein Bier. Es ist so warm!

Das für 19 Uhr angekündigte Regenschauer kommt näher

17:40 Uhr, 5 Meilen (8,14 Km). Start, auf zum letzten Gefecht. Wir schleichen über die Fahrradwege. Dann die schönen asphaltierten Nebenstraßen. Martina möchte, dass ich etwas erzähle. Ich kann nicht, mir fällt nichts ein, mein Gehirn ist sprachlos! Endlich rein in den Wald. Kühl! Auf schmalen Wegen genießen. Durch die Siedlung, noch ein Waldstück. Und dann endlich der letzte Kilometer! Ziel! Glückwünsche werden ausgetauscht. Martina will sofort duschen und ab nach Hause. Ich erkundige mich bei Jan-Philipp nach den Platzierungen. Martina ist 2. Frau und darf noch aufs Siegerpodest. GLÜCKWUNSCH! Platz 14 für mich, nur 7 haben mehr als 80 Meilen geschafft, das macht mich schon etwas stolz. Mit der Siegerehrung setzt der Regen ein. In Summe habe ich bei diesem Ultra 80 Meilen / 131,57 Kilometer absolviert. Platz 14 von 150! Herzlichen Dank an Jan-Philipp und das ganze Orgateam für diese riesige Organisation für uns Teilnehmer.

Auf der Rückfahrt denke ich an Natascha und Ute und hoffe, dass es ihnen bald wieder richtig gut geht.

Ende gut – alles gut!