Bereits im April 2021 hatte Frank die Idee zu diesem Lauf. Er legt die Strecke fest und ich kümmere mich um Anmeldung und Ergebnisse bei Race Result sowie der Meldung beim 100MC und bei der DUV. Einen gemeinsam möglichen Termin fanden wir erst im Herbst am 23.10.
Für heute habe ich mich verabredet mit Ute, Martina und Natascha zum gemeinsamen Lauf. Ute und Martina müssen leider kurzfristig wegen Erkältung und Sturz passen, so wird aus dem Quartett ein Duo. Dank Navy finde ich den Flecken Volkringhausen, einen Ort an der Hönne mit 498 Einwohnern und einem Bahnhof. Um 8:20 Uhr gibt Frank einige Hinweise zur Strecke und zur Markierung mit blauen Punkten. Aber ohne Track sollte man es besser nicht versuchen. Dann geht es endlich los.
Die schmalen Pfade verlaufen zunächst parallel zu den Gleisen und auch nahe am Hönne-Bach, das Laub ist herbstlich gefärbt, die Sonne versteckt sich noch hinter den sieben Bergen. Es macht Spaß hier zu laufen. Schon sind Natascha und ich die Letzten. Abzweig, wir folgen rechts dem Wanderweg, da der blaue Punkt leicht nach rechts weist. Die anderen hielten sich links und kämpfen – wir hören ärgerliche Stimmen – sich (erfolglos) durch umgestürzte Bäume. Bei uns liegt nur ein Baum quer. Die anderen drehen genervt um und folgen uns. Ja, wir sind nun ganz vorne! Natürlich nicht lange, dann sind die anderen wieder vorbei. Allerdings bleibt Zeit, mit Ulli und Gerno über deren Lauf in der Vorwoche in Litauen zu quatschen. Die Feldhofhöhle wird passiert.
Nun geht es lange bergauf. Ohne Ende! Alter Schwede! Die Sonne kommt durch. Irgendwie verpassen wir dann einen Abzweig und bleiben auf dem Forstweg. Komoot meldet, die Route wird angepasst! Also sind wir falsch. Komoot zeigt auch, dass wir wenig später wieder auf die Strecke kommen. Also weiter. Rechts im Wald knackt und knirscht es. Wildschweine? Nein, nun brechen unsere Lauf-Kollegen rechts aus dem Wald, sie haben die erste Trail-Passage genossen. Unser Weg war nicht kürzer aber wohl deutlich leichter! Wir sind wieder vorne mit dabei. Letztmals für heute! „Balve Wald“ auf 546 Meter NN, der höchste Punkt der Strecke ist erreicht.
Ab hier sind wir wieder auf Trails unterwegs, es macht Spaß hier zu laufen, immer wieder fordern Matschstellen höchste Konzentration. Vorgestern war Sturm. Wir sehen die Auswirkungen. Auf den Trails liegen viele Bäume kreuz und quer mit frischen, hellen Abbruchspuren. Krabbeln statt laufen! Die Umwege sind abenteuerlich! Es geht über den Osterberg (501 m) auf einen kilometerlangen Singletrail. In einer Fichte hängen Weihnachtskugeln! Stimmt, in zwei Monaten ist es soweit!
Km 11, ein Blick ins Tal, es könnten Deilinghofen und Hemer sein. Aber nun rechts ab und weiter auf Waldwegen, Wanderwegen, Trails. Die Sonne zeigt sich immer wieder mal und bringt die Farben des Laubs zum Leuchten.
Natascha und ich sind begeistert, hier mit dabei zu sein. Ab Brockhausen geht es über Nebenstraßen nach Riemke. Km 21, der erste VP nahe Menden ist erreicht. Frank erwartet uns mit allem was wir brauchen und was wir zuvor abgegeben haben. Die Sonne scheint, mein Rücken wird warm, herrlich! Nach einigen Tipps zur Streckenführung laufen wir weiter und Frank baut den VP ab. Über die Hönne und hier bergauf! Nach einem kurzen – 100 Meter – falschem Weg finden wir uns zurecht.
Bald kommen wir zum Hexenteich an dem wir für Fotos viel Zeit verlieren. Ich möchte ein Foto mit Sonne. Das dauert! Nach einer Runde um den Teich: Wir überholen eine Frau, die ein Pferd führt. 1,5 Kilometer später sehen wir sie wieder! Unser Weg (Trail) war ein reiner Umweg! (Frank, wir merken das!). Es gibt hier Orte, kleine Nester, zum Beispiel Oberoesbern, vermutlich auch so ein besonderer Name des Sauerlandes, woll?
Frank gab uns am Start eine Karte mit den sauerländischen Fachbegriffen wie betuppen, Nuckelpinne, Mauken, Schlawanzuch oder Pimpernellen. Wir verlassen die Höhe und und machen uns ohne Spirenskes und Fisemantenten mit Schmackes auf den Wech ins Tal nach Niederoesbern.
Bald sind wir wieder im Wald unterwegs zum Europaplatz und weiter auf einem Wilddiebpfad durch die Matsche zur Dicken Berta, einer mehr als 500jährigen Eiche mit einem Umfang von 5,74 Metern. Natascha hat es sofort nachgemessen!
Durch den Luerwald zum Bieberbach, kurz nach Lürbke über den Bach und zum 2. VP. Der gut bestückte Anhänger steht neben der Bushaltestelle. 34 Km sind geschafft. Auf einem Höhenzug können wir weit schauen und ich entdecke einen Aussichtsturm auf einem Berg, etwa 3 Kilometer entfernt.
Alter Schwede! Natascha will es nicht glauben, dass wir dorthin müssen. Sie fragt einen Waldbesitzer. Seine klare Aussage: „Andere Aussichtstürme gibt’s hier weit und breit nicht“, bestätigen meine Vermutung. Ok, hinab nach Asbeck und sofort wieder hinauf Richtung Eisborn. Steil hinauf auf den Ebberg zum Turm. Schon einmal hier, will ich auch hinauf. Es sind nur 13 Meter und 4 Etagen. Schnell bin ich oben. Natascha kommt nicht nach. Ob sie den Einstieg nicht findet? Nein, sie ist nicht schwindelfrei und hat zunächst gezögert, sich aber dann doch überwunden.
Die Aussicht ist prächtig und eins meiner Fotos wird nachher auf der Urkunde zu finden sein. Ob alle Kollegen auch hier oben waren? Nun durch Eisborn, „Zur Mailinde“ heißt die Straße. Linden sehe ich keine, nur zwei mächtige Buchen mit einem Kreuz dazwischen. Hunderte von Kranichen ziehen in Formationen hoch über uns laut schnatternd dahin. Beeindruckend! Irgendwie finden wir den Einstieg in einen schmalen Pfad nicht. Und irren umher. Ein Hausbesitzer stürmt hinter uns her: „Seid ihr auch heute Früh in Volkringhausen gestartet? Dann müsst ihr da hinter der Halle in den Pfad abbiegen! Dort sind die anderen auch lang gelaufen!“ Wir bejahen und bedanken uns ganz herzlich bei dem Mann. Glück gehabt! Also wäre doch das „Frauenlinks“ richtig gewesen. Mein Fehler! Der Rest ist schnell erzählt: Weiter auf Straßen und breiten Wegen, noch schnell an den Windrädern vorbei und bald hinab nach Vorlkringhausen.
Im Ziel hält Frank Getränke, eine Käse-Lauch-Suppe und Bratwürstchen bereit. Danke Frank! Wir sind spät dran, die anderen sind teilweise bereits auf der Heimfahrt oder machen sich nun bereit. Es bleibt das Fazit: Eine wunderschöne Strecke, mit vielen Trailpassagen und vielen Aussichtspunkten. Die gesammelten Höhenmeter summierten sich auf 1.308 und nicht wie angegeben auf 1.100. Die Länge der Strecke beträgt etwas mehr als 46 Kilometer. Natascha und ich sind uns, wie alle anderen, einig, dieser Lauf muss wiederholt werden. Vielleicht sehe ich dann auch die örtliche Gewandgruppe, die den schnellen Läufern eine Geschichte erzählte.
Teil 1 Anmeldung – Teil 2 Die Zeit vor dem Lauf – Teil 3 Der Tag vor dem Lauf – Teil 4 Der Lauf
Teil 1 – Anmeldung
Die Idee, den Brocken im Winter von Göttingen aus laufend an einem Tag zu erreichen, entstand im Jahr 2001, als Markus Ohlef und sein Begleiter auf dem Fahrrad, Thomas Sivander, sich im Februar auf den Weg machten und den Gipfel des höchsten Berges Norddeutschlands (1142m) nach 10,5 Stunden und 81km erschöpft, aber glücklich erreichten. Dieser Lauf sollte zum «Event» werden und so wurde er im Februar 2004 zum ersten Mal offiziell durchgeführt. Die Teilnahme sollte nicht nur eine Verwirklichung im sportlichen Sinne sein, sondern gleichzeitig einem guten Zweckdienen. Sämtliche Start- und Spendengelder flossen damals in voller Höhe in ein Projekt in Nepal.
Am 4.11.2016 melde ich mich an. Mein Wunsch Startnummer 60 (meine neue Altersklasse 2017) und Ergänzung „Der Hexer“ (denn es geht ja auf den Berg der Hexen). Nun muss ich mich bis zum 1.12. gedulden. Im letzten Jahr erhielt ich eine Absage. Diesmal nicht, ich bin dabei:
Lieber Uwe Laig, Du wirst bei der Brocken-Challenge 2017 mit Deiner Wunschstartnummer 60 und dem Zusatz „Der Hexer“ starten !!! Bitte überweise innerhalb einer Woche 148 €. Bei Nichtantreten wird der Teilnahmebeitrag unabhängig vom Grund nicht erstattet und fließt ohne jeglichen Abzug in die Gesamtspende ein. Eine Übertragung auf das Folgejahr ist nicht möglich.
Der „Hexer“ überweist das Startgeld am nächsten Tag und findet sich bald in der Liste der bekloppten Brocken-Läufer wieder. Ich bekomme Zweifel. Mir ist schlecht, meine Gedanken gehen zum Wetter: Was mache ich bei minus 15° und Schneesturm auf dem Brocken? Warum habe ich mich da nur angemeldet? Ein Wüstenabenteuer wäre schöner, weil wärmer! Aber nun muss ich da durch.
Teil 2 – Die Zeit vor dem Lauf
14.01.2017 – Veranstalter Info
Auch wenn es noch 1 Mond hin ist: Nächste Woche wird dieser Kram (Strecken-km 4, Göttinger Wald, 370m NN) schon mal nicht abtauen. – Sehr anstrengend! – Lange nicht dagewesen! – Ihr dürft langsam Respekt entwickeln.
Bangemachen gilt nicht! Es gilt, ich muss die Cut-Off-Zeiten an den Kontrollstellen unterbieten und den Brocken erklimmen. Dann ist mein Transport bestens geregelt. Wenn nicht? Wie heißt der Film vom Ende des 2. Weltkriegs und von einer Flucht aus einem Strafgefangenenlager in Sibirien noch?: „So weit die Füße tragen“! Der Film ist emotional und geht übrigens letztendlich gut aus. Ich kaufe mir Spikes und Yaktrax denn sicher ist sicher!
01.02.2017 – Veranstalter Info T-10 Der Countdown kann beginnen! Race Month!
Angesichts des nach dem bevorstehenden kurzen Frühlings-Intermezzo (das den Schneepackungen im Harz nichts Wesentliches anhaben können dürfte) sich nach derzeitigem Stand über die Rennwoche aufbauenden neuen Kälte-Hochs, dessen Kälte-Maximum derzeit für Sa 11.02. vorhergesagt wird, hier noch einmal ein paar Hinweise, die sich vor allem an die BC-ErstteilnehmerInnen („Novizen“) richten, die mehr als die Hälfte des Starterfeldes ausmachen werden:
Klimatisch lässt sich die BC-Strecke grob vereinfachend in 3 Abschnitte gliedern: 1. Der „Anlauf“ vom Start bis zum Harzrand hinter VP4 Barbis bei km45, mit Höhenlagen von 150 bis 350m. 2. Der mittlere Harz von Barbis bis hinter Oderbrück, Höhenlagen im wesentlichen 500 – 750m, km45 bis km75 3. Der Gipfelbereich am Brocken ab km 75, oberhalb 900m
Auch wenn i.d.R. am Gipfel die tiefsten Temperaturen und die stärksten Winde herrschen, ist man diesen Verhältnissen nur relativ kurz (ca. 1 Stunde) ausgesetzt (ok, auch in einer Stunde kann man erfrieren …). Ganz anders ist das bei den mehrstündigen Passagen durch die ersten beiden Abschnitte, die wegen phasenweiser Wind-Exponiertheit (besonders in Abschnitt 1) keinesfalls unterschätzt werden dürfen! Überdenkt Eure Ausrüstung in Ruhe, und nehmt im Zweifelsfall mehr mit!
Verfolgt bitte besonders in den letzten beiden Tagen vor dem Lauf die Wetter-Prognosen und insbesondere die Windverhältnisse (Stärke, Richtung). Dazu haben wir auf der Startseite für jeden Bereich eine einigermaßen repräsentative Wetterstation mit einer 4-Tage-Prognose sowie einen WindChill-Rechner verlinkt. Für die Verhältnisse am Start gibt es keine geeignete Station, da wir uns auf den ersten 5km in 350-400m Höhe bewegen und sich die Göttinger Angaben auf unter 200m Höhe beziehen. Für Abschnitt 2 und 3 findet Ihr auch die real gemessenen Schneehöhen.
Nach derzeitigem Stand (aktuelle Schneelage und angekündigte Niederschläge) darf man/frau davon ausgehen, in Abschnitt 1 mehrfach durch eine „Übergangszone“ „schneefrei – vereist – Schnee“ und umgekehrt zu kommen. Schneeketten/Spikes/Stöcke werden damit voraussichtlich nicht unbedingt überflüssig sein. Abschnitt 2 und 3 dürften schneebedeckt sein.
All dies ohne Gewähr. Wie das Wetter wird und wie die Streckenverhältnisse sein werden, wissen wir erst beim Briefing. Jetzt wäre aber ggf. noch Zeit, ausrüstungsmäßig nach- oder aufzurüsten.
06.02.2017 – Veranstalter Info T-5 (also noch 4mal schlafen) Race Week!
Jetzt gibt es nur noch eins: Kein Zurück mehr & cool bleiben bzw. werden.
Den Kälte-Peak haben wir auf Donnerstag vorverlegt, den Wind biegen wir pünktlich zum Samstag weg von Nordost. Soll ja auch ein bißchen Spaß machen, das Ganze.
Trotzdem wird es wohl nicht besonders matschig, ab heute Abend bis zum Start herrscht auf der gesamten Strecke Dauerfrost! Also eher Matsch- und Eiskrusten auf der ersten Streckenhälfte und dann Schnee, Schnee, Schnee.
Aktuelle Infos erhaltet Ihr wie immer am Donnerstag abend nach der Rückkehr der Markierungsteams nochmal hier und dann natürlich beim Briefing.
Da wir nach wie vor sehr viele Leute auf der Startliste haben: Haltet bitte unbedingt die Gepäckbegrenzung für die Gipfel-Klamotten von 30l ein (das ist ein etwas größerer Tagesrucksack!). Und sucht dafür schon mal Eure Ersatzkluft raus, denn das normale warme Zeug braucht Ihr ja noch am Freitag Abend in GÖ (ich schreib das nur, weil zunehmend die Jahrgänge meiner Kinder im Teilnehmerfeld auftauchen, und da sind solche Weckrufe manchmal durchaus angebracht und letztlich hilfreich). Und nehmt bitte selbst etwas zu Trinken mit auf die Strecke, damit Ihr nicht gleich die ersten Stationen leersauft. Klar, einen Trinkbecher habt Ihr auch dabei, dieses Jahr gibt es keine mehr von uns an den Stationen!
Die Wegfindung bzw. Verlaufen (über harmlose Zusatzschleifen hinaus) war in den letzten Jahren nie ein Thema. Auf der sicheren Seite seid Ihr, wenn Ihr Euch den Track auf Euer GPS-Gerät ladet. Dies ist die kürzeste denkbare Strecke, ob es Abweichungen davon geben muss, erfahrt Ihr beim Briefing.
Und denkt dran: Diese Woche bei den Tempo-Einheiten nur noch Renntempo, nicht mehr Maximaltempo üben!
Das wird!
P.S.: Ihr habt jetzt schon 2mal ein- und aus- und umgepackt? Und wisst nicht mehr, was Ihr bis Freitag noch Sinnvolles tun könnt? Habt Angst, dass Ihr das nicht schafft?
Und lernt: „Verlier nie die Gewalt, die Herrschaft über dich, deinen Geist und deinen Körper!“
–—- ich beobachte nun täglich die Wetterprognosen ——
3.2.17: Brockenwetterprognose für den 11.2.: minus 8 bis minus 10°. Aktuelle Schneehöhe 97 Zentimeter.
4.2.17: Grandios!
4.2.17: wetter.com verspricht minus 19°. Ach du Schei….! Ob der Lauf dann stattfinden wird? Aber warten wir noch ab, es sind noch 7 Tage, da kann sich viel (zum Besseren?) ändern.
8.2. Veranstalter – Info
Es wird gerade angerichtet …
3 Teams sind heute auf allen Streckenabschnitten unterwegs. Heute abend wird es hier eine Lagebeschreibung geben. Und dann natürlich intravenös beim Briefing.
So viel – ohne die Pferde scheu zu machen – schon vorweg: Die BC2017 wird sich wohl „etwas“ anders gestalten als in den Jahren 2014 bis 2016.
Update 14h: Der Chef ist ja nicht gerade für Übertreibungen bekannt. Ich erinnere mich noch, als ich nach der BC2009 völlig fertig ins Ziel fiel und er mich mit den Worten tröstete: „Ja, das waren heute mittlere Bedingungen.“
„Fuckin‘ hard. So wie wir’s brauchen!!!“
Im Harz sieht es so aus, dass selbst Eingeborene von „Hölle“ reden und der VP Jagdkopf nicht wie üblich und auch nicht tatsächlich mit Jeep angefahren werden kann. Am VP Lausebuche gibt es 2 (!) geräumte Parkplätze (also 0,0 Platz für Begleiter!!). Dazwischen Schnee, Schnee, Schnee. Und dahinter auch.
09.02.2017 – Veranstalter Info Update 19h:
Ok, die Veranstaltung dürfte dieses Jahr ihren Namen zu Recht tragen.
Hier ein paar Fotos des Streckenabschnitts zwischen Barbis (42) und Lausebuche (63) von Markierer Philipp, der Euch am Samstag am VP Oderbrück wieder psychologisch aufrichtet („Du siehst noch gut aus“)
Dahinter geht es nicht viel leichter weiter. Die Teams empfehlen trotz der Schneelage die kürzeste 80km-Route, weil die „leichtere“, etwas längere Forststraße total vereist ist. Alle Details dazu erhaltet Ihr live morgen ausführlich, dies hier ist nur zur Einstimmung.
Bis morgen! Kommt gut an!
Teil 3 – Der Tag vor dem Lauf
10.2.2017 Anreise
Schuhtest. Erst einmal fahre ich bis in den Harz. Gegen 13:30 Uhr bin ich (mit dem Auto) oben im Harz auf Höhe 800 Meter am Parkplatz Oderbrück. Hier liegt genug Schnee, um die Spikes und die Yaktrax zu testen. Ich schnalle rechts das eine, links das andere unter (habe schnell Eisfinger!) und renne bei minus 6 Grad in meiner Jeans mal 200 Meter. Gutes Gefühl, nix rutscht. Ich werde die Yaktrax nutzen. Und die Spikes für eisglatte Passagen auch einpacken. Ist das kalt hier! Aktuelles Brockenwetter: minus 8°, Unwetterwarnung: Sturmböen mit 85 km/h!
Danach (Heizung volle Pulle) mit dem Auto zum Hotel, danach zur Uni. Dort erfolgt die „Verbindliche Lagebesprechung“. In der Ausschreibung heißt es:
Im Hörsaal des Hochschulsport-Institutes findet eine verbindliche Lagebesprechung (18.00-19.30) statt, bei der noch offene Fragen bzgl. der Durchführung geklärt werden können. Programmpunkte sind:
Ausgabe der Startunterlagen (16.30 – 18.00)
Abgabe der Wechselkleidung für den Brockengipfel (16.30 – 18.00) Bitte sortiert diese Sachen schon vorher zusammen, damit dieser Punkt einigermaßen zügig abgewickelt werden kann ! Es werden Plastiksäcke ausgegeben, in die Ihr am besten Eure vorgepackten Rucksäcke (Ihr müsst die Klamotten abends wieder runter tragen!) einfach reinsteckt. Achtung: Volumen auf max. 30 Liter begrenzen! Der Gepäcktransport auf den Brocken stellt einen logistischen Flaschenhals dar und wir sind da am Limit! Berücksichtigt bei der Auswahl der Klamotten die ca. 1,5 h Nach(t)wanderung vom Gipfel nach Schierke!
ausführliche Erläuterung des Streckenverlaufs (18.00 – 19.30) und der aktuellen Bedingungen unterwegs durch staatl. gepr. BC-Experten
Dieses Treffen eignet sich auch, um individuelle Probleme zu klären und ggf. Gruppen mit harmonierenden Interessen zu bilden (vgl. Rücktransport, FAQ)
Meine Startnummer ist wie bestellt. Den Kleiderbeutel (Rucksack) werde ich schnell los.
18: Uhr: Briefing. Vieles kenne ich bereits aus den Unterlagen, der Homepage und aus den letzten News. Dennoch, hier wird mit Herzblut gearbeitet. Das macht Laune. Es gibt Musik und viele Interessante Details. Auch die vielen Fotos der Strecke mit Sprüchen rund um das Ultra-Laufen. Toll! Ich mache Fotos und werde diese in meinen Bericht einbauen. Die Spendenempfänger werden genannt. Es wird eine sehr winterliche BC! Der BC-Spirit, hier wird er gelebt.
19:25 Uhr, zurück zum Hotel. Zeit für ein Abendessen. Tja, da bleibt dann nur ein Chiliburger mit Pommes bei MC. Passt ja auch etwas zu BC, oder? Kohlehydrate vor einem Ultra? Das wird mächtig überschätzt, hoffe ich. Lauf-Rucksack packen, Frühstück vorbereiten. Wecker auf 4:15 Uhr stellen. 21:45 Uhr: Gute Nacht!
Teil 4. – Der Lauf
Der Hexer im Anflug auf den Brocken
Wettkampftag. Kleines Frühstück auf dem Zimmer. 5:15 Uhr Abfahrt, 5:30 Uhr am Start. Parkplätze sind knapp, ich finde einen Platz im Wald. Treffpunkt „Alter Tanzboden“. Hier herrscht entspannte Spannung. Ich will Fotos machen und merke, dass die Batterie im Hotelzimmer weiter aufgeladen wird. Mist! OK, denke ich, dann bin ich schneller ohne die Stopps und vielleicht laufe ich die BC später noch einmal mit Kamera!!??
Ich finde meine Leute. Ulrich zieht gerade seine Yaktrax an. „Alles vereist im Wald schon kurz nach dem Start!“ Na gut, dann will ich die Dinger auch mal anlegen, obwohl ich seinen Worten nicht glaube. Andere haben auch die Ketten unter den Sohlen, na, dann ist es vielleicht doch richtig.
Auf der Homepage des BC sind die Streckenabschnitte detailliert beschrieben. Das Höhenprofil zeigt, dass es erst ab Kilometer 30 so richtig ernst wird.
5:55 Uhr, wir gehen zum Start. Ich quatsche mit Helfern von den Johannitern. Sie können sich 80 km zum Brocken gar nicht vorstellen Ich erzähle, dass 500 laufen wollten, aber nur rund 200 dürfen, Verlosung. Später werden sie am VP Rhumequelle (km 31, Limit 4:30 h) stehen. Ich verabrede mich für 9:45 Uhr mit ihnen.
Nach einigen Worten vom Organisator geht es los. Mit den traditionellen Worten „Brocken-Challenge, here weg go!“ werden wir auf die Strecke geschickt. Rund 200 Stirnlampen setzen sich in Bewegung, ich bin mit dabei! Nach 3 Monaten Vorbereitung gilt es. Bewegend, Gänsehaut pur! Fackeln weisen uns den Weg durch den dunklen Wald. Irrlichter im Forst, ich hechte hinterher.
An Tagen wie diesen – 11.02.2017
Ich wart’ seit Wochen auf diesen Tag Und tanz’ vor Freude über den Asphalt Als wär’s ein Rhythmus, als gäb’s ein Lied Das mich immer weiter durch die Straßen zieht …. …
Das Abenteuer hat begonnen. Wie lange habe ich darauf hin gefiebert! Mehr als ein Jahr! Nach nur 300 Metern kommt die erste Eisplatte. Meine Yaktrax halten, rutschen nicht, super! Andere schlittern schon bedenklich. Und es wird immer winterlicher, viel Eis und Schnee, Ich laufe sicher einfach drüber weg. Werner Hülsmeier aus Ibbenbüren taucht neben mir auf. Er läuft heute seine 6. BC und wie ich in der M60. „Uwe, Der Hexer“?? meint er zu mir. Ich erkläre: „In der Walpurgisnacht fliegen die Hexen zum Brocken; und heute fliegt der Hexer hinauf!“ Wir lachen. Ich bin gar nicht gut drauf, es läuft schwer. Oder geht es bergauf? Im Dunkeln nicht auszumachen. Dann wird es leichter. Aha! Ende der Steigung. Die Serpentine hinab nach Mackenrode ist total vereist. Der Hexer auf Yaktrax lässt laufen. Wenig später lege ich die Yaktrax ab, kein Eis mehr die nächsten Kilometer. Erste Verpflegung, kurze Pause. Leise tritt die Dämmerung ein. Ganz leise! Ein Lied kommt mir in den Sinn. Von Unheilig, das passt doch zum Hexer, oder?
Dem Himmel so nah
Die Täler liegen im Nebel Die Sonne geht langsam auf Sterne vergehen am Himmel Ich steig‘ den Berg hinauf Die Welt strahlt vor Glück Heut an diesem schönen Tag Ich geh dem Horizont entgegen Und stell mir vor du bist da
Ich werd‘ an dich denken wenn ich am Gipfel bin Ich werd‘ den Himmel anlächeln auf meinem Weg dorthin
Gänsehaut! Die Steigung nach der Verpflegung gehe ich gemeinsam mit Tanja aus Neuenkirchen hinauf, wir kennen uns, sind schon häufiger gemeinsam gelaufen. Wo? Keine Ahnung. Aber ihr nettes Gesicht bleibt in Erinnerung. Sie will es heute versuchen, hatte noch vor 2 Wochen eine Grippe. „Alles Gute“! (Sie wird es in 13:13 Std. schaffen). Bald bin ich wieder alleine unterwegs. Oben auf der Höhe pfeift der eisige Wind über kahle Flächen und Felder. Vorbei an einer Gaststätte „Seulinger Warte“ und weiter durch den Wind. Das ist total spaßbefreit. Es ist diesig, etwa 2° minus. Meine rechte Wange friert ein. Ich laufe auch die kleinen Steigungen, will raus aus dem Wind.
Hinab ins Tal, der Wind lässt nach. Vorbei am Seeburger See, da ist er wieder der Scheiß-Wind. Rollshausen. 2. Verpflegung, ein Tee, ein Saft, ein Keks und weiter geht’s.
Ende Rollshausen, wieder Wind. Stopp, Rucksack ab, Melkfettdose auf und druff damit auf die Gesichtshaut. 3 Millimeter dicke Schicht! Das wärmt, etwas. Meine neue Sturmhaube möchte ich noch schonen, für den Berg.
Dann wieder eine Bergpassage. Im Wald weht kein Wind. Tillyeiche, hier mache Tilly mit seinem Heer in 1623 Rast. Ulrich taucht auf. Wir rennen und quatschen. Nach der Kapelle von Rüdersheim (oben auf einem Hügel) wieder Wind von vorne.
Endlich hinab und weiter nach Rhumspringe zur Quelle der Rhume. Erst Radweg, dann Ort und endlich der Teich mit dem Verpflegungspunkt. Die Kollegen von den Johannitern sind auch da.
Es ist 9:43 Uhr (3:43 Std.), der Hexer ist nur wenig zu früh dran! Erste Zwischenzeit, die ich mit Vorjahresleistungen vergleichen kann. Ich hole meinen Spick-Zettel heraus. Es läuft! Meine geplante Zielzeit von 12:45 Stunden scheint machbar! Nach einem Tee und einer Brühe schlurfe ich weiter.
Die Sage von der Rhumequelle
Ruma war die Tochter des Zwergenkönigs und wurde von ihrem Vater in einem unterirdischen Verlies gefangen gehalten. Der Vater war wütend, weil sich seine Tochter mit Romar, einem verfeindeten Riesen, vermählt hatte. Aber damit nicht genug: In seiner unendlichen Wut tötete der Zwergenkönig auch noch das Kind des ungeliebten Paares. Doch Ruma, Tochter einer Wassernixe, konnte aus ihrem Verlies fliehen, indem sie sich in eine Quelle verwandelte und sich so einen Weg durch die Felsen bahnen konnte. Man sagt, daß sich das Wasser der Rhumequelle auch heute noch von Zeit zu Zeit vom Blut des ermordeten Kindes rot färbt.
Es geht nun lange bergan. Wir gehen, marschieren. So richtig toll ist das hier nicht. Oben geht es links ab und schon lockt die erste Eisplatte. Ein Läufer hält an, montiert seine Yaktrax. Ulrich läuft weiter, er hatte seine Spikes noch immer unter den Schuhen.
Ich versuche, mit kalten Fingern die Dinger an die Füße zu kriegen. 1. Versuch, falsch herum, Mist. Wieder abbauen. 2. Versuch, irgendwas klemmt. Ich kriege die Krise! 3. Versuch, endlich. 2. Schuh. Das klappt nun schon (etwas) besser. Puh! Werner, Karl und Conny schauen mir zu, grüßen und laufen weiter. Ohne Spikes. Ha! Wenig später lange, breite Eiswege. Conny und Karl schlittern vorsichtig, Werner schlägt sich durch die Büsche, und Uwe, der Hexer, läuft fix mitten übers Eis, grüßt kurz und hängt sie ab. Ulrich ist weit voraus.
Auf der Höhe pfeift wieder der Wind. Es ist ca. 0° kalt, gefühlt deutlich frischer. Ich laufe, will raus aus der Kälte. Vorbei an Ulrich, er will nur eins, finishen, meint er zu mir. Ich auch, möchte aber einen guten Zeitpuffer rauslaufen für die Entsafter-Passagen. Also weiter. Es kommt eine Ortschaft, kein Ortsschild, Barbis? Ich hoffe es! 10 Minuten laufe ich durch den Ort, Nebenstraßen, auf dem Bürgersteig, dann links ab. Dort ist die Verpflegung. 42,5 km. Halbzeit. 5:20 Stunden, na das geht doch! Einige Läufer treffen Familienangehörige, quatschen, ziehen sich um oder füllen ihre Vorräte auf. Ich lasse die Finger von Brat- und Heißwurst, fülle meine Fläschchen auf und laufe weiter, als Ulrich gerade eintrifft. Ich muss in Bewegung bleiben, mein Tempo laufen. Darf nicht auskühlen. Nun gilt’s!
Sofort geht es steil bergauf. Laufen unmöglich. Durchlass. Oben rechts ab, weiter hinauf. Es folgen Eisglatte Wege. Ich bin ganz allein, ganz weit vor mir ist ein einsamer Läufer, nach mir nix zu sehen. Alle machen wohl eine lange Pause am Marathon-VP. Ich laufe, was zu laufen ist. Vieles ist nur schlurfend machbar. Egal.
Dann: Wegsperrung wegen Baumfällarbeiten. Egal, der Hexer folgt dem BC-Schild und ignoriert die Sperre. 50 Meter unterhalb wird gesägt. Der Baum fällt in die andere Richtung. Nach 1 Kilometer erreiche ich die Sperre auf der anderen Seite. Dort hängt ein Transparent 50 cm x 200 cm und weist auf die Sperrung und die gesetzlichen Grundlagen hin. Uwe, der Waldschrat läuft weiter.
Weiter, immer weiter durch den Wald, der Wind wird ersetzt durch Steigung. Ca. 2% Steigung, stetig, kilometerlang. Schnee!
Abenteuer, hier findet man zu sich selbst. Alles ist egal, nur Schritt, Schritt, Schritt. Immer weiter. Das Zeitgefühl hat sich verabschiedet, sind es 6 oder 7 oder 8 Stunden? Es ist mir egal, nur eins zählt, WEITER!! Immer weiter!
Pinkelpause. Der Urin ist sehr gelb, ich befürchte Dehydrierung. Hole die Reserveflasche Wasser aus dem Rucksack. 0,25 l Wasser Eiswasser kippe ich rein.
Über einen Höhenrücken und hinab in ein anderes Tal. Über eine Brücke und nun immer neben einem Bach entlang, der sich durch den winterlichen Wald windet. Die Schneehöhe steigt. Der Gripp lässt nach. Das Laufen fällt schwerer. Gehen ist angesagt. Zeit für meine Butterbrote mit Käse und extra Salz. Runterspülen mit Saft aus meinen Fläschchen. Nach 425 Höhenmetern erreiche ich den Jagdkopf. Tee, Saft und Brühe, 2 Kekse und weiter.
Die nächste Passage erscheint der Beschreibung nach einfacher. Weit gefehlt. Der Weg durch den Schnee ist nun brüchig, holprig und löchrig. Goblins oder Waldgeister haben den Weg sabotiert. Ich muss jeden Schritt berechnen. Hüpfen, springen. Sind die Wege parallel zu Loipen, dann ist es halbwegs belaufbar. Dann links hinauf. Tiefschnee. Nur eine 30 Zentimeter breite Spur. Hier helfen mir auch die Yaktrx nix. Immer wieder rutsche ich im pulvrigen Schnee oder erzeuge neue Löcher. Trotz der vielen Vorläufer ist es, als wenn nur 5 Leute hier heute gewesen sind. Umgestürzte Bäume werden überstiegen oder umlaufen. Meine Schuhe sind weiß, werden nass. Ich schwitze, fluche und stapfe weiter. Nur meine Zehen rechts, werden kalt, fühlen sich etwas tot an.
Mein lieber Schwan. Schwere Wegstrecke, Löcher im Schnee halten mich zurück und doch auf trab! Das Motto des Laufes (von Goethe) kommt mir in den Kopf:
Von der Gewalt, die alle Menschen bindet,befreit der Mensch sich, der sich überwindet.
Tiefschnee, ich könnte heulen, komme kaum vorwärts. Kobolde haben im Tiefschnee Löcher eingearbeitet, in die ich ab und an versinke. Knöchelbruch!? Mein Rücken hat ordentlich zu tun. Oft muss ich Stürze vermeiden, springe hin und her. Ich verzweifle fast, aber mein Laufkollege, sicherlich 20 Jahre jünger als ich, kommt noch schlechter vorwärts. Das motiviert schon wieder! Meine Zehen werden kalt, die Schuhe sind nass.
Etwas später bekomme ich Fußschmerzen links unter dem Fuß. Ob es von den Yaktrax kommt? Ich ignoriere es.
Endlich komme ich wieder auf eine Loipe. Hier auf dem gepressten Schnee in der Mitte zwischen den Spuren lässt es sich fein tapern. Was ist das? Nach 1 Km wieder links ab in den Tiefschnee. Ich fasse es nicht. Was soll das? Nun ahne ich, warum es heißt: „Entsafter, Teil 2“. Wieder liegen Bäume im Schnee auf meinem Weg. Hier steht ein Posten: „Noch 500 Meter bis zum VP!“ Das lässt hoffen. Lausebuche, ein Grenzbaum aus dem Mittelalter, so nennt sich der VP direkt an der Bundesstraße. Es wird gegrillt. Ich bleibe bei Bewährtem. Ein kurzer Blick zu Uhr 14:41 Uhr. Der Hexer ist sehr gut in der Zeit. Kein Gedanke mehr an die Cut-Off Zeiten, nur noch ein Gedanke: Ich will da hoch, der Hexer muss zum Brocken. Noch 4 Std. bis zur angestrebten Zeit. Und noch 18 Kilometer.
Hinüber über die Bundesstraße und hinauf, der Loipe folgen. Wanderwegschild. Königskrug rechts ab 5,4 km. Der Weg ist eine Spur im Tiefschnee, ganz ähnlich wie vor 10 Minuten. Junge, Junge!
Der Wegweiser zeigt auch geradeaus, Königskrug 6,8 km. Ich entscheide mich für die längere Variante. Für die ca. 7 Kilometer und 200 Höhenmeter brauche ich eine gute Stunde. Obwohl, dass sehe ich erst später auf meiner Uhr. Hier im Schnee habe ich das Zeitgefühl verloren. Es wird gerodelt, Langläufer komme mir mit Tempo entgegen. Einige grüßen, nicken anerkennend, sie wissen was wir leisten. Wieder überhole ich langsamere Läufer/Geher. Einige haben fertig. Wenn ich gehe, dann so fix wie möglich. Endlich kommt die B4. Hinüber und wieder Verpflegung. Königskrug. Vorletzter VP. Nur noch etwa 12 Kilometer. Yes i can.
Hoher Schnee links und rechts. Wieder tapere ich den Berg hinauf. Einige Wanderer machen keinen Platz, saublöde Menschen, Sturköpfe. Ich hoppel ganz nach außen, noch außen neben die Loipe. Kinder rodeln auf mich zu, ich springe zur Seite.
Rechts außen, oberhalb vom Knie macht mir eine Sehne Probleme. Schmerzt, aber es ist nichts Ernstes, einfach nur ein Zeichen der Überlastung. Viel Schnee, viel Berg, viel Anstrengung. Oben, wieder laufen, ich nehme mir vor weiter alles zu laufen was geht. Auch wenn es nun weh tut. Hinab nach Oderbrück. Zwei Langläufer wollen mich vorlaufen lassen. „Wir stehen zum ersten Mal auf den Brettern“, meint der Mann. Ich lasse sie vorfahren. Und sehe mir das Drama an. Sie bremsen sich langsam hinab. Zu langsam, ich laufe vorbei. Wenig später muss ich mal an den Baum. Die Langläufer rutschen vorbei. Ich laufe hinter her. Die Frau bremst und stürzt. Der Hexer hilft ihr auf, so viel Zeit muss sein. So, nun habe mich meine gute Tat für heute fertig. Ich sehe keine Läufer mehr, schon seit 10 Minuten nicht mehr. Der 3. Wanderer, den ich frage, kennt sich aus, weiß dass ich richtig bin. Kurz vor Oderbrück kommt eine Läuferin in 5-Fingers-shoes aus dem Wald. Sie ist eine andere Route gelaufen!!?? Egal, kurzer Halt am VP. Nette Leute! „Der Hexer!“ Sie sind beeindruckt.
Auf zum letzten Gefecht. Ich habe in Erinnerung, dass es nun noch rund 400 Höhenmeter sind. Wieder geht es bergan. Egal, die Steigung ist laufbar. Ich will nun so schnell wie möglich in die Brockengaststätte, ins Warme. Es wird steiler. Ein junger Läufer in Bergschuhen aus Göttingen (läuft die BC nicht mehr seit der Verlosung der Startnummern), begleitet mich. „Noch 1:30 Stunden, dann bist du oben“, meint er. Wir unterhalten uns gut. Es wird kälter, der Wind frischt auf. Ich ziehe mir noch eine Jacke über und aktiviere meine Sturmhaube. 400 Meter später: Rückenwind! Ich schwitze. Ein Kobold hat den Wind gedreht, denke ich.
Ich weiß, ich bin gut unterwegs. Und ich weiß auch, dass ich diese Leistung in diesem Leben wohl nicht mehr verbessern kann. Ich laufe was geht.
Auf dem Goetheweg entlang der Bahn kann ich wieder einiges laufen. Die Steigung ist moderat. Wie weit noch? Keine Schilder mehr. Endlich, die Brockenstraße. Links ab. Hinauf! Noch etwa 800 Meter, 1000 Meter? Mehr nicht! Es wird diesig, neblig und dunkler. Vor mir marschiert ein Läufer. Ich hole auf, grüße und bin vorbei. Wieder einer, das motiviert. Wie spät es wohl ist. Ich schaue nicht auf die Uhr. Ich komme ohne Stirnlampe nach oben. Es wir dämmrig, nebelig, Sichtweite noch 50 Meter. Der Bahnhof. Linkskurve. Rampe. Vor mir tauchen 2 Leuchten auf, weisen mir den Weg. Ich ahne das Ziel. Laufe los und bin da, habe es geschafft. YES! Der Hexer wird herzlich begrüßt und ins Warme geschickt. Ich freue mich wie ein Schneekönig! Das Bild mit dem Brocken-Gipfel-Stein spare ich mir. Hier war ich bereits 3 Mal. Nur raus aus der Kälte!
Kalt – hart – schön
Wieder denke ich an das Lied von Unheilig „Dem Himmel so nah!“, denke ich an die Menschen, die dies leider nicht mehr sehen/erleben können/dürfen. Bin so froh, dass es mir vergönnt ist, bei diesem Lauf dabei sein zu dürfen und zu finishen.
Eine Wendeltreppe muss ich hinauf. Oben ein (Vor-)Raum mit 2 Helfern, die mir, Nr. 60, meinen Rucksack reichen. Dann betrete ich den Goethesaal. Hier sitzen sie, alle, die vor mir das Ziel erreicht haben. Wir alle haben uns gequält, haben gekämpft, haben gesiegt! Applaus brandet auf.
Für mich! Jeder Finisher, der hier oben eintrifft, wird so gefeiert.
Bewegend, Gänsehaut, Atemnot, feuchte Augen und mehr. Ich bin sprachlos. Schon für dieses Gefühl hat es sich (fast) gelohnt, sich bis hier hinauf zu quälen. Ultras sind schon eine ganz besondere Sorte Menschen.
Der Veranstalter nimmt mich in die Arme. Michael dto., er beglückwünscht mich und Harald sagt: „Mensch Uwe, da bist du heute aber sehr gut gelaufen!“ Dies ist schon eine ganz besondere Ehrung. Danke, Harald! Ich bin stolz!
An Tagen wie diesen
An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit An Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit In dieser Nacht der Nächte, die uns soviel verspricht Erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht
18:50 Uhr, einige Läufer wollen nach Schierke aufbrechen, ich schließe mich an. Gerade als ich gehen will, kommen Ulrich, Conny und Karl in den Goethesaal. Sie sind gemeinsam die Strecke ab Barbis gelaufen, gewandert. Schnell (jetzt klappt es fast auf Anhieb) noch die Yaktrax unter die Schuhe geschnallt und auf geht’s in die Kälte. Minus 8° soll es sein, ist es aber (gefühlt) gar nicht. Ich ziehe die Kapuze der Jacke vom Kopf und bemerke nicht, dass ich meine Stirnlampe verliere. Als ich es später bemerke, schaue ich zurück, sehe nix und hake die Leuchte als Abschreibungsobjekt ab. Die Wanderung ist blöd, langweilig und auch anstrengend. Wir nehmen die Abkürzung durch den Wald. Schon liegen zwei auf dem Hosenboden. Tja, ohne Spikes ist es gefährlich.
Nach 1:30 ermüdenden Stunden erreichen wir Schierke. Wir treffen uns im Cafe Winkler. Ich setze den Rucksack ab, da fällt meine Stirnleuchte zu Boden. Sie muss auf meinem Rucksack mit mir gewandert sein. Ist noch an! Ich erhalte Platz 24 im 1. Bus. Es sind noch 30 Minuten bis zur Abfahrt der Busse. Zeit für ein Bier. 21 Uhr: Kein Bus zu sehen. Der Helfer: „Der Busfahrer hat verschlafen, nun kommt Bus 2 eher, da dieser aus Braunlage kommt. 21:35 Uhr, endlich geht es los. Unterwegs erzählen sich 2 Ultras viel und noch mehr. Einer ist der Ausrichter des Goldsteig-Ultra, Michael Frenz, von Meldeläufer.de. Es ist zwar nervig aber auch ablenkend. Endlich kommen wir in Göttingen an. 20 Minuten später bin ich im Hotel. Sehe, dass Gladbach und der HSV gewonnen haben. Eine Dusche und Banane später 0:20 Uhr? bin ich eingeschlafen und träume von Zauberwesen, Kobolden und Zwergen! Und von ganz viel Schnee!